Karte des Urbanen Wohlergehens

Wie können Städte das Wohlergehen ihrer Bewohnerinnen fördern? Welche Rolle spielen dabei Verwaltung, zivilgesellschaftliche Initiativen und politische Akteurinnen? Und wie können sie gemeinsam eine gesunde, lebenswerte Stadt gestalten?

Diesen Fragen widmete sich der Workshop „Urbanes Wohlergehen in Berlin“, der Akteur*innen aus Verwaltung, Politik und Initiativen zusammenbrachte. Im Mittelpunkt stand der Austausch über bestehende Praktiken und Strategien für eine gesunde Stadt sowie die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven und neuer Kooperationsmöglichkeiten.

Zum Auftakt gab Nassim Mehran (Interdisziplinäres Forum Neurourbanistik) einen Einblick in die umfassende Bedeutung von Gesundheit und die Rolle (kultureller) Stadträume für das Wohlbefinden der Stadtgesellschaft. Anschließend stellten Anne Pfennig (Bezirksamt Mitte) und Valeria Schwarz (ERbeLEBEN) den Bildungsverbund „Urbane Künste ERbeLEBEN“ sowie die Ausstellung „Caring City“ vor, die sich mit Aspekten des urbanen Zusammenlebens und der Fürsorge in der Stadt auseinandersetzen.

Im interaktiven Teil des Workshops entwickelten die Teilnehmenden eine Karte des urbanen Wohlergehens für Berlin. Sie kartierten bestehende Projekte und Praktiken, die zur Gesundheit und Lebensqualität in der Stadt beitragen, und identifizierten Synergien sowie Potenziale für eine bessere gegenseitige Unterstützung.

Diese Dokumentation fasst die zentralen Erkenntnisse, Diskussionen und Ergebnisse des Workshops und der Podiumsdiskussion mit Berliner Politik und Verwaltung zusammen. Sie soll als Impuls für weitere Kooperationen und Maßnahmen dienen, um Berlin als Stadt des urbanen Wohlergehens weiterzuentwickeln.

Workshop

Panel Diskussion

Kooperation als Schlüssel zur einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung

Ein Podiumsgespräch mit Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft im Rahmen des “Festivals für Urbanes Wohlergehen” 

Am 20. September 2024 fand im Rahmen des „Festivals für Urbanes Wohlergehen rund um den Mäusebunker“ ein bedeutendes Podiumsgespräch statt, das Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft zusammenbrachte, um die Bedeutung von Kooperationen in der Stadtentwicklung zu beleuchten. Mit dabei waren Sebastian Forck von der SPD, Christian Goiny von der CDU, Julian Schwarze von den GRÜNEN, Niklas Schenker von den LINKEN, Roberta Burghardt als Vertreterin für die Planung, Anna Heilgemeir für die Wissenschaft sowie Tomma Suki Hinrichsen für die Praxis und Yann-Olivier Kersaint als Vertretung für den Berliner Projektfonds Urbane Praxis. Moderiert von Angelika Hinterbrandner, Architektin und Stadtforscherin, diskutierten die Panelist:innen über neue Wege der Zusammenarbeit, die zentrale Rolle der Urbanen Praxis in Berlin und welche Instrumente es bedarf, um sie zu stärken. 

Urbane Praxis als Motor für kooperative Stadtentwicklung

Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Rolle der Urbanen Praktiker:innen in Berlin, die als Befürworter:innen und Vorreiter:innen kooperativer Stadtentwicklungsprozesse auftreten. So konnte zum Beispiel das Torhaus, vertreten durch Tomma Suki Hinrichsen, darüber berichten, dass sie an ihrem prominenten Standort am Tempelhofer Feld weitaus mehr Aufgaben übernehmen als die eines Community-Ortes. Stellvertretendes Leitsystem, Pförtner:innenaufgaben und einiges mehr würden nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehören. Folglich plädiert Tomma Suki Hinrichsen einerseits für eine größere Wertschätzung gegenüber der Szene, aber auch dafür, dass zivilgesellschaftliches Engagement als ebenbürtige Kooperationspartner:in angesehen werden müsse. Roberta Burghardt, Architektin und Mitbegründerin der Berliner Gestalter:innen-Kooperative coopdisco e.V. machte außerdem deutlich, dass soziokulturelle Freiräume zusehends verschwinden würden. Orte, die mittels demokratischer Grundprinzipien, wie Kooperation, Zusammenhalt, Mitgestaltung und Teilhabe, aufgebaut wurden.

Sparzwänge, bürokratische Hürden und der erneute Privatisierungsdruck als Hemmnis

In einem Punkt waren sich die Panelist:innen einig: bürokratische Hürden, komplizierte Verfahren oder Unklarheiten in der Ansprechbarkeit, machen es zivilgesellschaftlichen Akteur:innen in der Urbanen Praxis teilweise unmöglich Projekte an einem Standort zu realisieren oder fortzuführen. Anna Heilgemeir, Stadtforscherin und ebenfalls Mitglied der Gestalter:innen-Kooperative coopdisco e.V. brachte deutlich hervor: “da macht man erst mal 4 Jahre gegen die Privatisierung und für das Modellprojekt, und dann soll man noch 8 Jahre an dieser Entwicklung mitarbeiten, dann gehen einem einfach auch die Leute flöten, die eine Ahnung haben von der Nachbarschaft, von dem Bezirk, die irgendwie das Wissen haben darüber, und das ist schon auch ein Problem, und das liegt schon auch ganz viel an der Bürokratie”. Hinzukommen die fehlgeleitete Schuldenbremse und der erneute Privatisierungsdruck, die das Stadtmachen zunehmend unmöglich machen, so Niklas Schenker von den LINKEN und Sebastian Forck von der SPD. Bei der Frage nach seinem Wunsch für Berlin, sagte Julian Schwarze von den GRÜNEN: “Der Wunsch wäre, dass wir gerade in diesem Bereich [Projekte wie Urbane Praxis] nicht sparen und die Ressourcen an der Stelle so einsetzen, dass wir nicht das verlieren, was Berlin ausmacht und die Projekte halten.”

Für eine neue Planungskultur: über Vertrauen, ressortübergreifende Zusammenarbeit und finanzielle Sicherheit

Doch was braucht es, um das zu halten, was Berlin ausmacht? Christian Goiny, medienpolitischer Sprecher der CDU, betonte, dass die Stadtpolitik lernen müsse, mutiger zu sein und sich für kooperative Ansätze zu öffnen, die oft unkonventionelle Wege gehen. Aber auch zwischenmenschliche Qualitäten wie Vertrauen und Wertschätzung in der Zusammenarbeit mit Verwaltung und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen seien ausschlaggebend dafür, ob ein Projekt gelingt oder nicht, so Anna Heilgemeir. “Wertschätzung zeichnet sich unter anderem finanziell aus”, fügt Yann-Olivier Kersaint vom Berliner Projektfonds Urbane Praxis hinzu. Vor allem mehrjährige Projektlaufzeiten, würden erst eine wirkliche Transformation des Stadtraums sichtbar machen und ihre Wirkung in der Nachbarschaft entfalten. 

Kooperation als Zukunft der Stadtentwicklung

Das Podiumsgespräch verdeutlichte, dass die kooperative Stadtentwicklung viele Chancen für Berlin birgt. Es wurde jedoch auch verdeutlicht, dass künstliche Hemmnisse auf politischer und Verwaltungsebene aus dem Weg zu räumen sind, um überhaupt in ein gemeinsames Arbeiten zu kommen. Urbane Praktiker:innen und viele weitere Initiativen in der Stadt nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein, indem sie alternative Modelle und Ideen für die Stadtentwicklung erproben und zukunftsorientierte Impulse für die Entwicklung urbaner Räume setzen. Dass dies weiter gefördert werden muss, war für alle Podiumsgäste eindeutig: der Schutz bestehender Strukturen durch finanzielle Sicherheiten, die Förderung kreative Freiräume, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und eine neue Planungskultur basierend auf Vertrauen, Flexibilität und Wertschätzung ware dabei die Themen, auf die sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis verständigen konnten.