Pressemitteilung: Kulturpolitik zwischen Sparzwang und Demokratiedefizit – Strukturen in Berlin müssen jetzt gesichert werden!

Berlin, 29.07.2025 

Die Ernennung von Sarah Wedl-Wilson zur neuen Kultursenatorin Berlins erfolgte nun in einem politischen Klima, das zunehmend von ideologischen Konflikten, finanziellen Kürzungen und einem schleichenden Rückzug demokratischer Förderstrukturen geprägt ist (Quelle: https://www.podcast.de/episode/687011620/ist-deutschland-wirklich-befreit-m-max-czollek). Während auf Bundesebene rechte Diskursverschiebungen gezielt den kulturpolitischen Raum verengen, droht auch in Berlin ein Stillstand bis hin zu einem Rückschritt: Es wird von Dialog gesprochen – doch konkrete Maßnahmen bleiben bisher aus. Das alles mit dem Wissen weiterer Einsparungen im Millionenbereich für die Kultur in den kommenden Jahren. 

Kultur unter Druck: auf Bundes- und Landesebene

In der Bundespolitik werden zum aktuellen Zeitpunkt in einer CDU geprägten Regierung ideologische Kämpfe immer häufiger über die Kultur ausgetragen – und das nicht durch offenen Diskurs, sondern durch gezielte Förderentzüge, Druck und Zensur (Quelle: https://taz.de/Kuerzungen-bei-Berlins-Kultur/!6078995/). Damit werden in Kultur, Wissenschaft, Jugend und Sozialen Förderstrukturen entzogen, die für eine plurale, streitbare und somit vielfältige Demokratie essentiell sind. 

Eine zunehmende Veränderung des Diskurses lässt sich nicht nur in den konkreten Sparmaßnahmen feststellen, sondern auch in sprachlichen Veränderungen in der Politik. Dabei sticht vor allem der neue Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, ins Auge.
Der Verleger und Politiker Weimer äußerte sich folgend, “Multikulti ist ein Akt der kulturellen Selbstvernichtung im Zeichen der Erinnerungskultur in Deutschland” (Quelle: http://www.cicero.de/259.php?kol_id=10047) – eine Formulierung, die unverkennbar in der Tradition rechter Denkmuster steht, während er sich selbst im demokratischen mittleren Spektrum verortet. Somit erkennt sich eine zunehmende Normalisierung rechter Positionen unter dem Deckmantel einer vermeintlich „bürgerlichen Mitte“. Was sich daraus für Handlungen entwickeln werden, bleibt zum aktuellen Zeitpunkt noch offen. 

Berlin unter Spardruck anstatt Stabilität

Auf Landesebene übernimmt die neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson ihr Amt in einer prekären Lage: 130 Mio. € Einsparungen 2025 sind bereits beschlossen, für 2026/27 stehen weitere Kürzungen im Raum. Zwar warnt Wedl-Wilson selbst vor weiteren pauschalen Einschnitten, bleibt aber dabei vage (Quelle:https://www.tagesspiegel.de/berlin/langfristige-konsolidierung-der-berliner-kultur-kultursenatorin-wedl-wilson-sieht-in-kurzungen-chance-fur-mehr-verlasslichkeit-13791337.html) Eine Priorisierung der Freien Szene, migrantischer Kulturinitiativen oder Soziokultur ist bisher nicht genannt worden. Damit stellt sich gleichzeitig die Frage, wer von ihrer Netzwerkarbeit und Kommunikation mit der Szene profitieren wird? “Kultur ist Kommunikation. Das eine ist nicht denkbar ohne das andere“ äußete sich Wedl-Wilson (Quelle:https://www.monopol-magazin.de/wedl-wilson-kuerzungen-der-kultur-auch-eine-chance?u). Ihre Erfahrungen in der Kommunikation und Politik liegen im Bereich klassischer Musik und institutioneller Kulturbetriebe. Doch auch außerhalb dieser Sparten braucht es klare Programme, keine offenen Floskeln.

Besorgniserregend ist zudem, dass die im neuen Haushaltsentwurf des Berliner Senats für die Jahre 2026 und 2027 geplanten Rekordausgaben in Höhe von über 45 Milliarden Euro nicht mit einem gestärkten Kulturhaushalt einhergehen. Im Gegenteil: Trotz wachsender Gesamtausgaben und weiter steigender Schulden wird nicht in kulturelle Resilienz investiert, sondern der Kulturbereich bleibt unterfinanziert und von Kürzungen bedroht. 

Kultur als Standortpolitik? 

Wedl-Wilson betont weiter, Kultur sei ein „Standortfaktor“ – für Tourismus, Wirtschaft und Stadtidentität (Quelle:https://www.morgenpost.de/plus/pur/?redirect=true&temporaryOptOut=true). Diese Einschätzung greift unserer Meinung zu kurz. Kultur ist mehr als Infrastruktur oder Standortmarketing: Sie ist Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt, kritische Auseinandersetzung und plurale Identitätsbildung. Eine Demokratieförderung, die nicht über Tourismus, sondern Freiräume der Bewohnenden funktioniert. Eine Kultur in der Stadt, die geprägt ist von Pluralität, Freiraum und Möglichkeiten. 

Aus der Sicht des Vereins Urbane Praxis, die sich eine kulturelle Stadtentwicklung mit Recht auf Freiraum, Selbstverwaltung und Kooperation unterschiedlicher Initiativen verpflichtet hat, fordern wir die Kultursenatorin auf: 

  1. Stopp weiterer Kürzungen im Kulturbereich – insbesondere für Freie Szene, Soziokultur und migrantisch geprägte Strukturen, und barrieresensible Angebote.
  2. Schaffung und Absicherung partizipativer Gremien und Diskursräume in der Kulturpolitik – keine Reformen ohne die Betroffenen. Wir fragen: Wo bleibt das offene Gespräch?
  3. Geteilte Infrastruktur statt Elitenförderung – Berlin braucht Räume und Ressourcen für alle, nicht nur für etablierte Institutionen.
  4. Politische Absicherung von Kultur als demokratisches Korrektiv im Simme eines Kulturfördergesetzes– nicht als touristisches Aushängeschild für die Menschen, die hier leben!