Offener Brief der Initiative Urbane Praxis
Wir Akteur*innen der Urbanen Praxis wollen im Freien weiterarbeiten und protestieren gegen die undifferenzierten Verbote für Kunst+Kultur
An Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
An Frau Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters,
An Herrn Bürgermeister Michael Müller,
An Herrn Kultursenator Dr. Klaus Lederer
Mit viel Platz, Abstand, Freiluft und herzlichen Grüßen!
Wir Akteur*innen der Urbanen Praxis wollen im Freien weiterarbeiten und protestieren gegen die undifferenzierten Verbote für Kunst+Kultur im neuen Infektionsschutzgesetz. Trotz der Appelle aus dem Kulturbereich und den neuesten Erkenntnissen der Aerosolforschung untersagt das neue Infektionsschutzgesetz Kunst- und Kulturveranstaltungen bei Inzidenzwerten von über 100 – unabhängig davon, unter welchen Schutzmaßnahmen sie im Innenraum oder Draußen stattfinden. Das ist empörend, denn was Demonstrationen, Sportvereine und Religionsgemeinschaften zugetraut und in der Arbeitswelt erst gar nicht angemahnt wird, haben Kunst- und Kultur schon längst selbstinitiativ umgesetzt: Arbeits-, Aktions- und Veranstaltungsformen, die mit Abstand und viel Luft auch unter pandemischen Einschränkungen funktionieren.
Schade, dass die Macher*innen des Infektionsschutzgesetzes keine eigenen Erfahrungen gesammelt haben, wie Künstler*innen trotz Pandemie verantwortungsvoll weiterarbeiten. Wir unterstützen ausdrücklich alle sinnvollen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und können gerade von diesem Standpunkt aus die Pauschalität, mit der die Aktivitäten im Kulturbereich untersagt werden, nicht nachvollziehen.
Schon im Mai 2020 hatten wir neue ressortübergreifende Zusammenarbeit gefordert, um nachhaltig städtischen Freiraum für Berlinerinnen und Berliner zu öffnen. Akteur*innen der Urbanen Praxis haben mit Partner*innen aus den Künsten auf verschiedenen Flächen offene Stadtlabore eingerichtet, die für Kultur und Nachbarschaft neuen Erprobungsraum bieten. Es sind Baustellen für die urbane Zukunft, die mindestens so viel Dringlichkeit haben, wie der Straßen- und Häuserbau. Auf den verschiedenen Campusanlagen gibt es Flächenangebote, die großzügige Freiräume für outdoor-Aktionen vorhalten. Mit dem Projektfonds Urbane Praxis und den Fördermöglichkeiten der DRAUSSENSTADT können jetzt – inmitten der Pandemie – in Berlin dezentrale Draußenprojekte stattfinden, die kluge Strategien zum Schutz der Teilnehmenden und Gäste umsetzen.
Künstlerinnen und Künstler, ihre Organisationen und Einrichtungen haben sich weiterentwickelt, weitsichtigen Umgang mit der Pandemie gefunden, doch wo steht die Politik?
Nach einem Jahr ist das Wissen über das Virus und über Schutzmaßnahmen gewachsen und wichtige Studien der Aerosolforschung bestätigen, dass das Ansteckungsrisiko bei Aktivitäten im Freien wesentlich sinkt. Künstlerische und kulturelle Veranstaltungen generell zu verbieten, ohne die lokalen Voraussetzungen zu prüfen, zwischen Innenräumen und Flächen an der freien Luft zu unterscheiden, ist unzulänglich und unfair. Wir schließen uns dem Deutschen Kulturrat an, der bei allem ausdrücklichen Einverständnis mit den Verschärfungen ein Komplettverbot für nicht nachvollziehbar hält: „Ohne Kultur verliert man die Hoffnung“.
Liebe Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Staatsministerin,
Lieber Herr Bürgermeister, lieber Herr Kultursenator,
bleiben Sie dran und kämpfen Sie weiter gegen die Diskriminierung von Kulturschaffenden im neuen Infektionsschutzgesetz, wir wollen keine Religionsgemeinschaft und auch keine Fußballer*innen werden, um weiterarbeiten und einladen zu können.
Dafür belohnen wir die Stadt mit überwältigendem Glück!
Initiative Urbane Praxis,
Berlin den 27.04.2021
Hier geht es zum offenen Brief als pdf: „Urbane Praxis protestiert gegen die Diskriminierung von Kultur im Infektionsschutzgesetz„