Kürzungen im Kulturbereich – Gefährdung der stadtkulturellen Teilhabe und DNA Berlins

Pressemitteilung

Berlin, 22. November  2024 

Die vom Berliner Senat geplanten Kürzungen im Kulturbereich zerstören über Jahre aufgebaute kulturelle Infrastrukturen und bringen den gesellschaftlichen Zusammenhalt  der Stadt in Gefahr. Viele Einrichtungen und Programme sollen bis zu 100% gekürzt werden. Die drastischen Kürzungen zahlreicher kultureller Institutionen, des Kulturwerks des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlins, der kulturellen Bildung, der künstlerischen Forschung, des Arbeitsraumprogramms, der Jugendkulturinitiative, des Kultursommers, etc. sind ein Schlag ins Gesicht für die Berliner Kulturszene. Ebenfalls die Umstellung der Modernisierung kulturell genutzter Immobilien auf ein “Modell der Nutzerfinanzierung”. 

Mit der Streichung des Diversity Arts and Culture, des Diversitätsfonds (IMPACT-Förderung) und der Diversitätsoffensive fallen Unterstützungsinfrastrukturen für kulturelle Diversität, Inklusion und Teilhabe weg. 

Mit der Abwicklung der landeseigenen Stiftung für kulturellen Weiterbildung und Kulturberatung  (Diversity Arts Culture, kultur_formen (Berliner Projektfonds kulturelle Bildung, Berliner Projektfonds Urbane Praxis, Kubinaut), Institut für kulturelle Teilhabeforschung, servicezentrum musikschulen, und ihre Tochtergesellschaft Kulturraum Berlin gGmbH) entfällt eine wesentliche Säule der Unterstützung einer vielfältigen engagierten Stadtgesellschaft.

Mit der Streichung des Berliner Projektfonds Urbane Praxis entfällt die niedrigschwellige Förderung von zivilgesellschaftlich getragenen Projekten, die soziale Teilhabe, kulturelle Innovation und nachbarschaftliches Engagement ermöglichen. Weitere betroffene stadtkulturelle Projekte und Organisationen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Stadtentwicklung und Sozialem sind Berlin Mondiale, neue Gesellschaft für bildende Kunst, Sinema Transtopia, Künstlerhaus Bethanien, Modellfläche TXL, ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik, silent green, u.v.m. 

Noch im Sommer haben wir über die Bedeutung urbaner Praxis und stadtkultureller Teilhabe in Berlin gesprochen. Bei einer Podiumsdiskussion am Mäusebunker am 20.09.2024 wurde gemeinsam mit  Julian Schwarze (DIE GRÜNEN),  Christian Goiny (CDU),  Sebastian Forck (SPD),  Niklas Schenker (DIE LINKE),  Roberta Burghardt (coopdisco), Anna Heilgemeir (TU Berlin), Yann-Olivier Kersaint (Berliner Projektfonds Urbane Praxis) und Tomma Suki Hinrichsen (Urbane Praxis e.V.) diskutiert und für stadtkulturelle Initiativen und Projekte existenzielle Fragen thematisiert. Besprochen wurde, wie wir (Frei-)Räume schaffen und schützen können, die zugänglich und in Gemeinschaft organisiert sind, wie wir Berlins Kieze und Nachbarschaften demokratischer und in Kooperation gestalten können und wie das zum Urbanen Wohlergehen beitragen kann. 

Kultur als Fundament von Berlins Identität
“Wir brauchen ja nicht nur die Förderung der Struktur, die Finanzierung der Struktur, dass ihr diese Arbeit machen könnt [Projekte im Bereich Urbane Praxis, Berliner Projektfonds Urbane Praxis, Netzwerkstelle Urbane Praxis a.d.R.], sondern wir brauchen auch die Flächen. Und da müssen wir auch landeseigene Flächen zur Verfügung stellen und nicht eben alles fertig durchplanen“, betonte Christian Goiny (CDU) im Sommer bei der Schlussrunde der Podiumsdiskussion. Ebenso bestätigte er die Wichtigkeit einer stetigen und langfristigen Förderung, “Es ist aus meiner Sicht tatsächlich haushaltstechnisch machbar, das  (Projekte im Bereich der Urbanen Praxis a.d.R.) auch in der Förderung zu verstetigen und abzusichern” entgegnete Goiny auf die Frage, wie er zur Urbanen Praxis stehen würde und was es bedarf um diese weiter zu etablieren. Aus dieser Absicht, lässt sich in der aktuellen Haushaltslage nichts mehr finden. „Der Wunsch wäre, dass wir gerade in diesem Bereich (“Urbane Praxis” und kulturelle, wie kollektive Stadtgestaltung a.d.R.) nicht sparen und die Ressourcen an der Stelle so einsetzen, dass wir nicht das verlieren, was Berlin ausmacht,“ betonte noch Julian Schwarze (DIE GRÜNEN). Davon wird nach den geplanten Kürzungen des Senats wenig übrig sein.  Die vielfältige und lebendige Kulturlandschaft Berlins ist ein Aushängeschild der Stadt – und ein Grund, warum Menschen weltweit von ihr fasziniert sind. Kürzungen gefährden nicht nur bestehende Projekte, sondern auch die Zukunftsfähigkeit Berlins als kulturelle Hauptstadt. 

Planbarkeit und Wertschätzung statt Unsicherheit
Dr. Yann-Olivier Kersaint (Berliner Projektfonds Urbane Praxis, Teil der Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung, die nach aktuellen Planungen des Senats drastisch gekürzt und abgewickelt werden soll)  hebte in der Podiumsdiskussion hervor, dass finanzielle Mittel und Planbarkeit zentrale Elemente einer funktionierenden Kulturlandschaft sind: „Diese Wertschätzung zeichnet sich unter anderem finanziell aus, aber auch vor allem mit einer Planbarkeit, also mit konkreten Ansagen.“ betonte Kersaint auf die Frage, was die Politik dafür tun könnte, um transdisziplinäres Arbeiten zu fördern.  Der aktuelle Kurs lässt Kulturschaffende jedoch in Unsicherheit zurück und behindert die langfristige und wirkungsvolle Arbeit. Die Frage, die im Raum steht, bezieht sich nicht auf das was in zehn Jahren ist, sondern ganz konkret: was ist 2025.

Die innovative Kraft von Freiräumen

Dr. Yan-Olivier Kersaint machte zudem deutlich, dass kulturelle Freiräume Orte der Kreativität und der Innovation sind. Viel mehr als Innovationszentren und Think Tanks brauchen Menschen in der Stadt niedrigschwellige Freiräume, die nicht von Anfang an durchgeplant sind und vorgeben, wie sie zu nutzen sind. Dann werden die Menschen kommen, werden sich diese Räume aneignen und dann entstehen da neue Ideen, die auch ein wirtschaftlicher Faktor in der Stadt sind.

Kultur als gesamtgesellschaftlicher Auftrag
Pauschale Kürzungen stehen zudem in klarem Widerspruch zu den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, stellte Sebastian Forck (SPD) heraus: „Es geht hier einfach mal eben auch um die gesamtgesellschaftliche Zukunft dieses Landes.“ Als zentrale Säule der Demokratie und des sozialen Zusammenhaltes dürfen Schuldenbremse, massive Kürzungen und andere rigide Maßnahmen nicht das Mittel zur Wahl sein. Ein Appell für Zusammenarbeit
„Kultur ist nicht nur Kultur,“ so Dr. Yann-Olivier Kersaint (Berliner Projektfonds Urbane Praxis),  abschließend, „Kultur kann auch Natur sein, ist auch Stadtentwicklung. Das greift alles ineinander.“ Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit sei notwendig, um die vielfältigen positiven Effekte von Kulturprojekten zu sichern und auszubauen.

Die alltäglichen Herausforderungen hinter der internationalen Strahlkraft von Berlin

Berlin ist für seine Kulturszene und zivilgesellschaftlich getragener kultureller Stadtentwicklung bundesweit und international bekannt. Immer wieder werden die  Teilhabe und Engagement einzelner Projekte in der Schaffung von kulturellen Freiräumen als Beispiel genommen und mit Preisen ausgezeichnet. Viele Projekte sind jedoch in ihrer ehrenamtlichen und prekären Existenz bedroht, nicht nur durch die Haushaltskürzungen.

Was wir jetzt tun können!
Nun stehen wir da, mit einer Streichung von geplanten 12% im Kulturbereich. Mit seinen über 100 Mitgliedern lehnt Urbane Praxis e.V. die Kürzungen ab und fordert ihre Rücknahme in den parlamentarischen Beratungen. Die Berliner Kulturszene ruft den Senat dazu auf, Kürzungen zurückzunehmen und stattdessen eine langfristige Strategie für den Erhalt und die Weiterentwicklung von kulturellen Infrastrukturen und Projekten zu entwickeln. Berlin kann es sich nicht leisten, an dem zu sparen, was die Stadt einzigartig macht. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft der Stadtkultur in Berlin einzutreten.

Petition unterzeichnen:
#BerlinistKultur – Petition gegen die Kürzungen

Protesbrief gegen die Abschaffung von Inklusion und Diversität in der Kultur von Berlinklusion

Demonstrieren gehen:
25 November 2024
13-18 Uhr findet eine Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus vom Migrationsrat, Rat für die Künste, Berlinklusion, Verdi statt.

bbk Berlin – Trauermarsch – gegen die Kürzungsvorhaben im Kulturhaushalt!
29. November 2024
15 Uhr vor dem Neptunbrunnen mit Ziel Brandenburger Tor

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*Anmerkung der Redaktion: Alle Zitate sind wörtlich aus der Podiumsdiskussion am Mäusebunker. 20. September 2024. Anbei ist der Livestream zum Nachhören verlinkt.

Für weitere Informationen und Presseanfragen wenden Sie sich bitte an: 

Dana Schneider & Elisabeth Knoblich

Urbane Praxis e.V.
E-Mail: kommunikation@urbanepraxis.berlin
Webseite: https://www.urbanepraxis.berlin/

Pressemappe und weitere Informationen zum Verein: https://drive.google.com/drive/folders/19Pc8GxC-QW3UvfP6mAfUQeeCR7Lc1p5-?usp=sharing