Stadtmacher*innen gegen Rechts Manual
30.05.2024 14:30-19:00, im Berlin Global Village
Stadtmacher*innen gegen Rechts war der Beginn einer fortlaufenden Veranstaltungsreihe, die auch im Jahr 2025 fortgeführt werden soll. Impulsgebend waren das Ergebnis einer zuvor laufenden Bedarfsanalyse aus dem Netzwerk der Urbanen Praxis, sowie die immer noch aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse und die Gefahren des zunehmenden Rechtsrucks. Im Januar 2024 veröffentlichte Correctiv die Ergebnisse der investigativen Recherche zu dem geheimen Treffen der AfD, die unter anderem umfangreiche Deportationspläne beinhalteten. Rechtspopulistische Parteien erhalten immer mehr Wahl-Zuspruch. Die Zahl der rechtsextrem motivierten Angriffe erreichte 2024, laut des Bundesministeriums, einen neuen Höchststand. Das sind nur drei von zahlreichen Faktoren, die unsere Demokratie bedrohen.
Urbane Praxis findet nicht in einem unpolitischen Vakuum statt. Für eine gerechte Stadt ist es notwendig, dass wir uns mit Themen kritisch auseinandersetzen, aktiv werden und solidarisch handeln. Es ist wichtig, dass wir stets die soziale Gerechtigkeit mitdenken, egal ob es um Fragen der Klimagerechtigkeit geht, um Städtebauliche Aspekte oder Repräsentation und Sichtbarkeit in Kunst, Kultur, Architektur, Bildung und weiteren interdisziplinären Bereichen der Urbanen Praxis.
Mit den Netzwerkveranstaltungen bieten wir Weiterbildungsformate an für Raum zum Lernen und für Austausch. Der erste Termin beschäftigte sich mit den Fragen: Welche Strategien können innerhalb der Urbanen Praxis gegen Rechts entwickelt werden? Wie können Urbane Praktiker*innen bei den aktuellen politischen Geschehnissen eine aktive Rolle als Akteur*innen einnehmen und als Multiplikator*innen in ihre Kreise einwirken?
Workshop 1:
mit Melanie Nazmy
In dem ersten Workshop wurden hinsichtlich der aktuellen Erstarkung von Rechts im gemeinsamen Austausch Ideen für mögliche Gegenstrategien der Urbanen Praxis entwickelt. Insbesondere wurde der Blick auf das Potential und die Gefahren von politischen Emotionen im öffentlichen Raum gelegt.
Der Workshop bezog sich inhaltlich auf den Artikel von Melanie Nazmy: „Urbane Praxis und politische Emotionen im Zeitalter der Echtzeitkommunikation“, zu finden ist er in dem Just City Zine – Solidarische Urbane Praxis (S. 10 bis 14): https://dana.pageflow.io/zinereihe-die-gerechte-stadt#d-solidarische-urbane-praxis
Weitere Literatur Grundlagen waren:
„Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ von Theodor W. Adorno (ISBN 978-3-518-58737-9)
“Das »Wir« der AfD. Kommunikation und kollektive Identität im Rechtspopulismus” von Johannes Hillje (ISBN 9783593516592)
Workshop 2: Argumentations- und Haltungstraining gegen rechte Parolen und Populismus
mit Methu Thavarasa
Rassistische und antifeministische Parolen sind längst nicht mehr nur Teil rechtspopulistischer Ideologie, sondern fungieren als Scharnier zwischen verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Milieus. Urbane Praktiker*innen stehen vor der Herausforderung, aktiv auf die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu reagieren und dabei Strategien gegen Rechts zu entwickeln und anzuwenden.
Im Mittelpunkt des Argumentations- und Haltungstrainings standen zwei wesentliche Aspekte: Zum einen die kollektive Zeugenschaft und machtkritische Einordnung von Erfahrungen, und zum anderen der Austausch sowie das Erarbeiten von kommunikativen, argumentativen und nach Möglichkeit strukturellen Gegenstrategien und Handlungsmöglichkeiten. Diese wurden in verschiedenen Übungen ausprobiert, diskutiert und gefestigt. Dabei ging die Auseinandersetzung mit kommunikativen Strategien gegen Rechts weit über die situative Analyse rechter Parolen und rechtspopulistischer Agitation hinaus und bezog die Teilnehmenden als strukturtragende zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit ein. Ein zentraler Bestandteil des Trainings war demnach die machtkritische Reflexion der eigenen Positionierung und Privilegien sowie das Schärfen der eigenen Haltung in Bezug auf Handlungskapazitäten, Verantwortung und Leerstellen.
Erfahrungssammlung:
Beschreibe eine Situation in der du diskriminierende und/oder rassistische Äußerungen mitbekommen oder erfahren hast. Was war die Ausgangssituation? Warst du alleine oder mit Menschen? Im privaten oder öffentlichen Raum?
Was waren konkrete Äußerungen?
Was war die Herausforderung in der Situation? Wie reagiere ich?
Reflektiere dabei auch, um wen es in der Situation geht (Betroffenen-/ Nicht-Betroffenen Perspektive). Wiege stets Selbstschutz, Verantwortungsübernahme und Haltung zeigen ab.
Erkenne die Situation und komme ins Handeln.
Welche Strategien können entwickelt werden, um aus einem potentiellen Schockmoment herauszukommen?
Manual „Stadtmacher*innen gegen Rechts“ Downloaden
Literaturempfehlungen:
“Widersprechen und sich positionieren. Gesprächsstrategien gegen rechte und diskriminierende Aussagen.” von Rosa Luxemburg Stiftung (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Brosch._A6_Rechtspopulismus_5.Auflage_web.pdf)
“Drei Kameradinnen” von Shida Bazyar (ISBN 978-3-462-00354-3)
“Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft” von Stephan Anpalagan (ISBN 978-3-10-397198-9)
“Rassismus. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen!: Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen!” von Natasha A. Kelly (ISBN 3855351147)
“Argumente für eine humane Flüchtlingspolitik” von Amnesty International
Hate Speech und Fake Fews. Fragen und Antworten” von Amadeu Antonio Stiftung
(https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hate_speech_fake_news.pdf)
Antidiskriminierungsreport. Diskriminierungsfälle – Daten und Fakten aus der ADNB-Beratungspraxis. Perspektiven auf Antidiskriminierungsarbeit. Spezial: Dokumentation der Jubiläumsfeier – 20 Jahre ADNB des TBB.” vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg
“Argumente gegen Parolen und Populismus“ von Klaus-Peter Hufer (https://www.wochenschau-verlag.de/Argumente-gegen-Parolen-und-Populismus/4245s)
“Argumente am Stammtisch
Erfolgreich gegen Parolen, Palaver und Populismus” von Klaus-Peter Hufer (ISBN 978-3-7344-0490-0)
“Haltung zeigen. Reagieren auf Diskriminierung, Rechtspopulismus und Rassismus in der Schule” von Eva Georg (ISBN 978-3-7344-1237-0)
“Sag was! Radikal höflich gegen Rechtspopulismus argumentieren” von Philipp Steffan (Text), Array Tadel verpflichtet! (Herausgegeben) (ISBN 978-3-8415-0606-1)
“Sprich es an! Rechtspopulistischer Sprache radikal höflich entgegentreten” von Philipp Steffan (Text), Caroline Morfeld (Text), Tobias Gralke (Text), weitere (ISBN 978-3-86418-109-2)
Profile:
Melanie Nazmy (Sie/Ihr)
Melanie Nazmy arbeitet als Künstlerin und Wissenschaftlerin an der Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und politischer Theorie/Philosophie sowie Ethik. Im Zuge dessen entwickelt sie eine Theorie zu politischen Gegenwartskünsten und Vulnerabilität des Körpers; parallel dazu schreibt sie in ihrem künstlerischen Hauptwerk Texte mit menschlichem Haar und arbeitet mit den Medien Installation, Objektkunst und Performance.
Melanie hat mit staatlichen Museen (Initiierung und n.a. Kuration des interdisziplinären Ausstellungsprojektes „Naqsh. Einblicke in Gender und Rollenbilder in Iran“, 2008) und öffentlichen Erinnerungsorten wie in Kooperation mit dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU; Idee und Konzept: „Menschenrechte und Gegenwartskunst: Ein Community Studio für den Campus für Demokratie auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale“, 2021) zusammengearbeitet. Politisch engagiert sie sich im generationenübergreifenden Kunstbildungsprogramm Ubuntus e.V., das sie während der Krise des internationalen Fluchtschutzes 2015/2016 initiiert und mitbegründet hat. 2022 war sie als Expertin für Zugangsfragen und Vielfalt am International Council of Museums beteiligt. Ab diesem Jahr begleitet Melanie am Anne Frank Zentrum ein Ausstellungsbildungsprojekt zum Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Sie ist dabei Teil des projektbezogenen Expert*innenrats bestehend aus verschiedenen Akteur*innen und öffentlichen Einrichtungen der barrieresensiblen und demokratischen Bildungsarbeit wie der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Methu Thavarasa (kein Pronomen/they/them)
Methu Thavarasa ist deutsch sozialisierte_r Eelam Tamil_in. Seit 2017 widmet sich Methu politischer Bildungsarbeit für Erwachsene und an Schulen. Im Rahmen von Trainings, Fortbildungen, Vorträgen und prozessbegleitenden Fachberatungen arbeitet Methu intersektional und machtkritisch zu den Themen Kommunikation gegen Rechtspopulismus, Antirassismus, kritisches Weiß-Sein, Allyship und Diversität. Methu gibt Empowermenttrainings für rassismuserfahrene Menschen und ist Moderator*in mit explizitem Fokus auf angewandte Intersektionalität und struktureller Diskriminierung.